Kriegsversehrt – und bereit für die Rückkehr an die Front

Kriegsversehrt – und bereit für die Rückkehr an die Front

Oft ist von der Tapferkeit und dem Mut der ukrainischen Soldat:innen die Rede. Sogar die Verletzten zeigen einen ungebrochenen Willen und wollen schnellstmöglich zurück an die Front.

Den symbolischen Anstoß der Erstliga-Partie FK Lwiw gegen Krywbas Krywyj Rih durfte der Kriegsversehrte Semen Stepakov übernehmen. Bei einem russischen Angriff verlor er ein Bein, wie der Ukrainer erzählt. Nun läuft er mit Prothese und hält sich aktuell in einem Rehabilitationszentrum in der Region auf. Mit Fußball habe er eigentlich wenig zu tun, umso aufgeregter sei er bei dieser Geste gewesen. „Das war eine interessante Erfahrung“, sagt Stepakov und lächelt.

Rakete traf Trainingsgelände

Ohnehin findet sich bei ihm keine Spur von Verbitterung angesichts seiner Verletzung. Mit ruhiger Stimme erzählt er bereitwillig, was ihm widerfahren ist. Zu Beginn des russischen Großangriffs habe er sich für Übungen auf einem Trainingsgelände nahe Dnipro aufgehalten. „Jemand hat den Standort des Geländes herausgegeben – dann schlug die russische Rakete ein“, erzählt Stepakov.

Trotz seiner noch andauernden Genesung und der bleibenden Schäden will sich 30-Jährige schnellstmöglich wieder den ukrainischen Streitkräften anschließen. „Ich bin ein Jäger und seit 13 Jahren bei der Armee“, begründet er.

Eigene Mine reißt Arm weg

Von der Tribüne aus verfolgt Stepakov die Partie mit anderen Verwundeten der Reha-Einrichtung. Nicht alle aus der Gruppe wollen ihre Erlebnisse erzählen. Yevhen ist dazu bereit: Bei ihm war es nicht der feindliche Beschuss, sondern ein technischer Defekt, durch den er seinen linken Arm verlor. In der Nähe von Cherson als Aufklärer im Einsatz sei im Minenwerfer das Geschoss explodiert, erzählt er: „Die Waffe hat nicht korrekt funktioniert.“ Deshalb ermittele die Staatsanwaltschaft in seinem Fall gegen die eigenen Leute.

Auch der 30-Jährige will so schnell wie möglich zurück. „Meine Jungs warten auf mich“, betont Yevhen. Durch seine Kampferfahrungen seit 2014 im Donbass verfüge er über viel und wertvolles Wissen. „Ich kann bürokratische Dinge erledigen, mit einem Arm Auto fahren oder andere einweisen“, sieht er trotz der sichtbaren Verletzung noch einen Nutzen für sich.

Trotz Verletzung optimistisch

Für Trübsal bleibt da offenbar keine Zeit. „Ich bin recht optimistisch“, sagt Yevhen und lächelt: „Das Leben geht weiter.“ Er habe genau gewusst, worauf er sich beim Einsatz an der Front einlasse. Woher die Verletzung kommt, spielt da offenbar keine entscheidende Rolle. „Ich bin dankbar, dass ich noch am Leben bin“, untermauert er.

Dass im ukrainischen Profifußball wieder ein regulärer Spielbetrieb läuft, während im Land ein Krieg tobt, stört die beiden indes nicht. Viel mehr genießen sie selbst die 90 Minuten Auszeit vom Alltag im Reha-Zentrum. „Das zeigt, dass wir nicht gestoppt werden können, und hilft den Menschen, sich abzulenken“, argumentiert Yevhen, während er das Team von Krywbas anfeuert. Er kommt aus Dnipro, habe früher selbst in der zweiten Liga gekickt und drückt nun den Nachbarn die Daumen. Man dürfe nicht pausenlos an den Krieg denken. Zudem sammelten viele Athlet:innen Geld für die Armee und leisteten so einen wichtigen Beitrag.

Von einer anderen Sichtweise ausgehend zeigt sich Stepakov aufgeschlossen für das Treiben auf den Sportplätzen. Ausrüstung und Munition im Einsatz hätten ein beträchtliches Gewicht. „Man muss fit sein, um das zu tragen“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

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