Recycling 4.0: Mehr Nachhaltigkeit für das E-Auto

Recycling 4.0: Mehr Nachhaltigkeit für das E-Auto

Auf dem Weg zur erweiterten Kreislaufwirtschaft: Mit Digitalisierung und Robotik arbeiten Wissenschaftler:innen in dem Verbundprojekt „Recycling 4.0“ daran, einen vollwertigen Verwertungszyklus von Lithium-Ionen-Batterien in Elektroautos zu schaffen. Ein breit angelegter Datenaustausch zwischen allen Beteiligten und automatisierte Prozesse ermöglichen einen effizienten Ablauf.

Anders als der Name andeutet, dreht sich das Projekt jedoch nicht um klassisches Recycling. Das würde genau genommen bedeuten, die einzelnen Rohstoffe aus der Batterie zu holen, um sie zu verwerten, erklärt Mathias Nippraschk, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Clausthal. Das Ziel ist die „Kreislaufführung ohne Down-Cycling; also ohne den Wert des Rohstoffes zu senken“.

Die Batterie erhalten, statt sie zu zerlegen

Hat das Elektroauto ausgedient, lässt sich die Batterie womöglich noch weiterverwenden. Vielleicht mit ein paar Reparaturen und Ausbesserungen oder neuen Teilen – doch das eigentliche Produkt bleibt in seiner Funktion erhalten. Und ist im besten Fall wieder neuwertig. Was einfach und logisch klingen mag, stellt sich im Wirtschaftsalltag allerdings deutlich komplizierter dar.

Hier kommt Recycling 4.0 ins Spiel. Denn zunächst geht es darum, die Marktteilnehmer:innen an einen virtuellen Tisch zu bekommen, erklärt Sebastian Lawrenz, Doktorand am Institute for Software and Systems Engineering (ISSE) der TU Clausthal:

Eine der größten Herausforderungen der Circular Economy ist der Informationsfluss, während der Produktfluss weitergeht.

Sebastian Lawrenz

Doktorand am Institute for Software and Systems Engineering (ISSE) der TU Clausthal

Datenaustausch zur Planbarkeit

Das sei angesichts des vergleichsweise geringen Alters und der geringen Zahl an Neuzulassungen noch nicht sonderlich auffällig. Doch in einigen Jahrzehnten, wenn die ersten Generationen der Elektroautos ausgedient haben, dürfte sich das bemerkbar machen. Dann werde sich die Frage stellen, welche Rohstoffe in der Batterie vorhanden sind, wie sie zusammengesetzt ist und in welchem Zustand. Nur zögerten Hersteller bislang, diese Informationen freizugeben. „In jedem Elektroauto ist ein Batterie-Management-System verbaut. Theoretisch kann das Auto den Zustand der Batterie grob einschätzen“, führt Lawrenz aus. Um einen Anreiz dafür zu schaffen, diese Informationen preiszugeben, gilt das Motto: Geld gegen Daten.

Der Marktplatz. Bildrechte: Technische Universität Clausthal.

Die Wissenschaftler:innen haben dafür als Herzstück des Projekts einen Marktplatz geschaffen, um diese Daten zu handeln. Da Hersteller auf unterschiedliche Batteriemodelle und Standards setzen, mussten sie zudem einheitliche Definitionen dafür finden. Mit diesen Daten füttern sie einen Roboter, der dann weiß, wie vorzugehen ist. Komplett automatisiert lasse sich dann beispielsweise ein defektes Modul der Batterie ersetzen. „Das heißt, man muss auch wissen, wie die bespielt wurden, damit man diese Module austauschen kann“, erklärt Nippraschk. Ohne diese Information würde auch die Künstliche Intelligenz (KI) entscheiden, dass die Kosten zu hoch seien, diese Informationen selbst herauszufinden.

Screenshot: Der Marktplatz. Bildrechte: Technische Universität Clausthal.

Bessere Umweltbilanz durch Recycling 4.0

Für einen Menschen wäre der Aufwand noch höher, zumal im Vergleich zu den Verbrennern die Erfahrungswerte fehlten. Denn dafür müsste die Batterie zunächst vollständig entladen und anschließend aufgeladen werden. „Das sind ungefähr zwischen 24 und 48 Stunden plus“, sagt Lawrenz und merkt an: „Das ist auch nicht unbedingt ungefährlich.“ Bei defekten Batterien droht nämlich Brandgefahr. Die Folge: Das Produkt wird lieber weggeworfen oder recycelt. Dabei ist sie das teuerste Teil eines Elektroautos.

Mit der KI und den Daten ließen sich dagegen gleich mehrere Faktoren wie aktuelle Marktpreise und die Nachfrage berücksichtigen. Auch die Umweltbilanz für Rohstoffe wie Lithium und Kobalt würden berücksichtigt, sagt Lawrenz: „Wenn man in Deutschland sein Lithium aus Recycling und ähnlichem beziehen kann, macht es die Umweltbilanz von Lithium-Ionen-Batterien deutlich besser.“ Damit sei ein Elektroauto auch schneller effizienter als ein guter Diesel. Er nennt eine Laufleistung von 40.000 bis 50.000 Kilometer.

Effizienz durch KI und Robotik

All diese Aspekte bereits jetzt zu berücksichtigen und eine künstliche Intelligenz auf eine Genauigkeit von bis zu 74 Prozent bei der Erkennung der teilweise nur 2,4 Millimeter großen Bauteile zu programmieren, beschreibt Nippraschk als den Clou bei Recycling 4.0. Denn damit werde frühzeitig der Grundstein für eine effiziente Weiternutzung der Lithium-Ionen-Batterien in Elektroautos geschaffen, das sich auch auf andere Produkte übertragen lasse. „Aktuell kommen noch wenig Batterien zurück“, weiß er. Doch die ersten Elektroschrott-Wellen dürften ähnlich wie bei Fernsehern, Radios und anderen Massenprodukten nicht lange auf sich warten lassen.

Die Projektpartner

Verbundpartner

  • TU Braunschweig, Institut für Automobilwirtschaft und industrielle Produktion (AIP)
  • TU Braunschweig, Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF)
  • TU Clausthal, Institute for Software and Systems Engineering (ISSE)
  • TU Clausthal, Institut für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik (IFAD)
  • Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Institut für Verteilte Systeme (IVS)
  • Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Institut für Produktionstechnik (IPT)

Unternehmen

  • eck*cellent IT GmbH
  • Electrocycling GmbH
  • European Recycling Platform Deutschland GmbH
  • Glaub Unternehmensgruppe
  • MAN Bus & Truck AG
  • MAXXEO GmbH
  • pdv-software GmbH
  • Retek AG
  • Robert Bosch GmbH, Automotive Aftermarket
  • Sense4Future GmbH
  • StEP Initiative
  • TSR Recycling GmbH & Co. KG
  • Volkswagen AG
Foto: Der Roboter von Recycling 4.0.
Bildrechte: Technischte Universität Clausthal.

Auf Grundlage der gewonnen Informationen könnten Modelle und Simulationen erstellt werden, mit denen dann die Recycling-Unternehmen planen könnten, welche Kapazitäten sie in Zukunft aufbauen müssen. Zudem habe das Projekt gezeigt, dass sich eine solche erweiterte Kreislaufwirtschaft technisch und wirtschaftlich umsetzen lasse, ergänzt Lawrenz und bilanziert: „Der Marktplatz an sich funktioniert also.“ Auch wenn die Coronavirus-Pandemie die praktische Arbeit mit Projektpartner:innen erschwert habe und angesichts der auslaufenden EU-Förderung nicht alle Ergebnisse ausgewertet werden könnten.

Hohe Anerkennung in Wissenschaft und Politik

Weitere Projekte seien bereits geplant und könnten auf den Erkenntnissen von Recycling 4.0 aufbauen, zumal sich die Zusammenarbeit der Institute bewährt habe. „Ich bin mit allen Ergebnissen wirklich mehr als zufrieden“, bekräftigt auch Nippraschk. Das lasse sich auch Anhand der rund 20 universitären Veröffentlichungen und Vorstellungen auf anerkannten Konferenzen festmachen. Drei Promotionen drehen sich um das Projekt. Auch für die Woche der Umwelt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, zu der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Juni 2021 eingeladen hatte, war Recycling 4.0 vertreten.

Vorgeschlagene Beiträge

Der Wasserstoffzug „Coradia iLint“ von Alstom.

Wasserstoffzug auf Rekordfahrt: Von Bremervörde bis Burghausen

Schreibe einen Kommentar

Report vor Ort

Ein Angebot der Witness Europe UG (haftungsbeschränkt)