Der afghanische Musiker Shekib Mosadeq über die Lage in Afghanistan und sein neues Projekt "Kunst gegen Taliban".
Shekib Mosadeq ist im Jahr 2010 aus Afghanistan geflüchtet: Er wurde von den Taliban bedroht, da er mit seiner Musik politische Themen aufgriff und kritische Liedtexte schrieb. Dabei hat er bereits 1998 angefangen, Musik zu machen, als es unter Taliban-Herrschaft komplett verboten war. Wie es dazu kam, was ihn inspiriert hat? “Meine Mutter hatte eine gute Stimme”, sagt er; sie habe ihn immer in den Schlaf gesungen als Kind. So habe er beschlossen, auch Musiker werden zu wollen. Unter ihrer Burka habe sie schließlich ein ganz kleines Klavier für ihn an den Taliban-Checkpoints vorbeigeschmuggelt. Zu der Zeit ein riskantes Unterfangen, das mit harten Strafen versehen war.
2001, nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September und dem anschließenden NATO-Einsatz, habe er dann angefangen, öffentlich Musik zu machen und aufzutreten. Doch durch seine politischen Texte sei er nach und nach in Gefahr geraten. Von 2006 an beschreibt Mosadeq die Situation als zunehmend schlimmer, die Taliban hätten ihre Macht erneut ausgebaut: “Langsam, langsam hat sich die Lage gewandelt.” In der Folge habe die Terrorgruppe auch ihn bedroht. 2010 habe er schließlich das Land verlassen. Seitdem hätten die Taliban jeden Tag an Stärke gewonnen. Trotzdem sei die Situation da im Land noch anders gewesen als heute: “Da war es gefährlich, kritische Musik zu machen, aber jetzt ist es egal, was für Texte du singst, es ist gefährlich.”
Die erneute Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat ihn daher auch zu einem neuen Projekt inspiriert: Mit “Kunst gegen Taliban” will er genau das fördern, was diese ablehnen. Musik mit Instrumenten; Musik, in der Frauenstimmen dominieren. Denn: Während Männer unter den Taliban zumindest noch das Singen (ohne Instrumente) bleibt, ist Frauen auch das verboten. “Ich suche ganz viele, die mitmachen”, sagt er und betont nochmals: “vor allem Frauenstimmen.”
Mosadeq ist überzeugt, dass es Afghanistan heute besser ginge, wenn sich ausländische Kräfte nicht so oft militärisch eingemischt hätten, er nennt Russland als Beispiel, dann die USA. Er ist aber auch überzeugt davon, dass die Generation von Afghan:innen, allen voran die Frauen, die jetzt dort leben, anders mit der Situation umgehen würden, als es ab 1996 der Fall gewesen sei. 20 Jahre lang hätten sie jetzt Zeit gehabt, zu studieren, nutzten außerdem die sozialen Medien: “Das ist eine neue Generation.”
Doch die Taliban auf der anderen Seite hätten sich ebenfalls verändert. Früher noch eine einfache Gruppe von Terroristen, hätten sie nun moderne Waffen und wüssten, wie man mit anderen Ländern “spielt”. Auch sie hätten die sozialen Medien für sich entdeckt. Ihre Ideologie hingegen, die sei dieselbe geblieben.
Mosadeq möchte aufklären, Netzwerke bilden, um die Menschen in Afghanistan zu unterstützen, die sich gegen die Taliban auflehnen oder Hilfe benötigen. Auf solche neuen Kontakte, die unterstützen können, hofft er auch beim Benefizkonzert in Überlingen.
Militäreinsätze jeder Art lehnt er ab. “Solidarität”, sagt er auf die Frage, was die Menschen nun bräuchten. Solidarität von Menschen und nicht das Eingreifen von Regierungen, führt er aus. “Die Menschen hier können Druck machen auf ihre Regierungen und fragen, was sie die 20 Jahre in Afghanistan eigentlich gemacht haben”, erklärt er, was Menschen von Deutschland aus ganz konkret tun könnten.
Beitrag veröffentlicht am September 17, 2021
Zuletzt bearbeitet am September 17, 2021
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