Hochwasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler: In den Trümmern der Existenz

In Bad Neuenahr-Ahrweiler und anderen betroffenen Orten der Hochwasser-Katastrophe in Rheinland Pfalz und Nordrhein-Westfalen zeichnet sich allmählich das Ausmaß der Schäden ab.

Wieder ist die Schubkarre voll. Mühsam hebt der Anwohner die beiden Griffe, um den Schlamm in eine Grube zu kippen. Eine Grube, die es vor wenigen Tagen noch gar nicht gegeben hat: Das Hochwasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler hat wie in anderen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eine Spur der Verwüstung hinterlassen.

Hier im Ortsteil Heimersheim ist am Samstag vom Bahnhof nicht mehr viel zu erkennen. Unterspülte und ausgehölte Bahngleise, zerstörte Autos und eingebrochene Asphaltstellen prägen die Kulisse. Letzteres dient nun dazu, den Schaden dieser Katastrophe mit mehr als 100 Toten zumindest etwas zu minimieren. Mit den inzwischen mehr braunen als gelben Gummistiefeln schiebt der Anwohner die restliche zähe, glitschige Masse vom Rand in die Grube hinein und kommentiert resigniert:

Das Wasser ist weg, der Schlamm ist geblieben.

Er packt die Schubkarre und schiebt sie zurück zum Haus. Dort wartet die nächste Fuhre. Hinter den braun-verschleimten und entsorgten Möbeln reihen sich zertrümmerte Autos.

Meterhohe Müllberge

Vom Heimersheimer Bahnshof führt die Straße entlang der Ahr zu einer noch intakten Verkehrsbrücke. Eine eingestürzte Brücke, auf der anderen Seite eine abgebrochene Bundesstraße. Auf der noch intakten Verkehrsbrücke hält ein Helfer mit dem Motorrad und nimmt sich erstmals ein paar Minuten, um das Erlebte sacken zu lassen. Er erzählt, wie er nur einige Stunden zuvor noch Polizisten von der überschwemmten Bundesstraße gerettet hatte – da war sie noch da gewesen. Lange hält er nicht inne, der Einsatz wartet.

Auch in der Innenstadt Bad Neuenahr-Ahrweilers sind die Straßen noch verschlammt. Auf dem Marktplatz verteilen Freiwillige Essen, Trinken, Kleidung. Derweil stellen die Anwohner:innen ihr zerstörtes Hab und Gut zur Abholung auf den Marktplatz, pumpen Keller aus, versuchen, den Schlamm aus ihrem Wohnraum loszuwerden. Wer hier durch die Innenstadt läuft, blickt vor allem in ausdruckslose Gesichter und leere Augen. Menschen, die funktionieren. Die das Ausmaß deshalb vielleicht noch gar nicht begreifen konnten. Das Geschehene zu reflektieren – dafür ist noch gar keine Zeit, keine Luft, gewesen. Zu viel zu tun.

Dammbruchgefahr bei Euskirchen

Rund 30 Kilometer weiter bei Euskirchen sind auch einige Ortschaften vom Hochwasser betroffen. Überall stapeln sich zwischen den Ortschaften die Müllhaufen mit beschädigtem Hausrat meterhoch- und weit auf den von den Wassermassen plattgedrückten Feldern. Die verheerenden Bilder vor Augen bangen Tage nach der eigentlichen Flut noch immer Tausende Menschen um ihre Existenz. Evakuiert, in Notunterkünften untergebracht. Der Grund: Die bereits beschädigte Steinbachtalsperre droht zu brechen. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) versuchen, Entlastung zu schaffen, pumpen mehr als 400.000 Liter pro Minute ab. Der Pegel sinkt in der Folge zwar, doch für eine Entwarnung reicht es selbst am Sonntagmittag noch nicht. „Es ist auch noch keine Prognose möglich, wann die Evakuierungsmaßnahmen zurückgenommen werden können“, teilt der zuständige Landkreis Rhein-Sieg mit.

Die Bezirksregierung Köln hat am Montag Entwarnung gegeben: Die Exptert:innen gehen von einer stabilen Lage an der Steinbachtalsperre aus. “Ein Dammbruch ist jetzt nicht mehr zu befürchten”, teilte die Behörde mit. (Aktualisiert am 20.07.2021)

Spendenkonten eröffnet

Wer in der Städteregion Aachen helfen will, kann sich etwa an das Deutsche Rote Kreuz in Aachen unter den Telefonnummern 02405/603 93 88 sowie 02405/603 9 337 oder per E-Mail hochwasserhilfe@drk-aachen.de wenden, das die Hilfsaktionen dort zentral koordiniert. Über die sozialen Netzwerke koordinieren sich Helfer:innen und Hilfesuchende ebenfalls, wie in Ahrweiler. Die Landkreise bitten jedoch darum, nicht eigenständig in die Katastrophen-Gebiete zu fahren, da dadurch Einsätze der professionellen Hilfskräfte behindert werden können. Die Sparkasse Ahrweiler hat außerdem das Spendenkonto „Hochwasser“ (IBAN DE86 5775 1310 0000 339457) eingerichtet, ebenso die Aktion Deutschland Hilft.

Beitrag veröffentlicht am Juli 18, 2021

Zuletzt bearbeitet am Juli 18, 2021

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