Donald Trump und die drei Zungen der EU

Das EU-Parlament in Straßburg ist ein großer, runder Saal mit zahlreichen Menschen an Schreibtischen, die einem zentralen Podium gegenübersitzen. Mehrere Flaggen werden gezeigt und auf digitalen Bildschirmen werden Präsentationen gezeigt.

Donald Trump wettert als neuer US-Präsident gegen die Europäische Union. Während Rat und Kommission gemäßigt reagieren, treten Parlaments-Abgeordnete deutlich selbstbewusster auf.

Der Kontrast fällt sofort auf. Ihren parlamentarischen Jahresauftakt in Straßburg nutzen am Dienstag zahlreiche EU-Abgeordnete, um sich zur tagesaktuellen Politik zu äußern. In dem Fall: Donald Trumps Amtsantritt am Vorabend. Während sie sowohl in den Presse-Briefings als auch im Plenarsaal scharfe Worte wählen, klingen die Äußerungen der Vertreter:innen aus Rat und Kommission deutlich gemäßigter; stellenweise gar unterwürfig. Umso deutlicher treten die Differenzen zwischen den drei Institutionen zutage.

Rat und Kommission ducken sich

Als amtierender Präsident des Rates der Europäischen Union1Der Rat der EU ist das Gremium, in dem sich die nationalen Regierungen der Mitgliedsstaaten verständigen. Polen hat jüngst den Vorsitz übernommen. setzt Adam Szłapka zum Auftakt deutliche Akzente. Der polnische Minister für europäische Angelegenheiten beschwört zunächst die gemeinsame Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine. „Die EU und die USA leisten derzeit den größten Anteil an der Unterstützung“, betont er. Doch die Mahnung an den Verbündeten, die er dann mit Blick auf möglicherweise bevorstehende Friedensverhandlungen ausspricht, verpackt er lieber wohlwollend:

Es kann keine Diskussion über die Ukraine ohne die Ukraine geben. Wir freuen uns daher auf eine enge Zusammenarbeit mit der neuen Regierung in Bezug auf die Ukraine, damit Russland sich nicht durchsetzt.

Während Trump gegen eine vermeintliche Benachteiligung der USA beim Handel mit der EU wütet, mit Strafzöllen droht und in der Folge einen Handelskonflikt riskiert, bleibt Szłapka moderat zurückhaltend. Stattdessen preist er die langjährige Partnerschaft an, die längst auf der Kippe steht: „Wir haben ein gemeinsames Interesse am Ausbau unserer Handels- und Investitionsbeziehungen.“

Statt von einer unabhängigen europäischen Sicherheitspolitik spricht er von einer verstärkten transatlantischen Zusammenarbeit in diesem Bereich. Schließlich hätten die EU-Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben zwischen 2021 und 2024 um 30 Prozent erhöht. Szłapkas Ausblick: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung, um die Sicherheit Europas zu stärken.“ Auch in Energiefragen sei die EU verhandlungsbereit; Trump fordert höhere Abnahmemengen beispielsweise des umweltschädlichen und teuren Flüssiggases (LNG) – was eine größere Abhängigkeit zur Folge haben dürfte.

Kein Wort zu Trumps Grönland-Forderung

Im EU-Parlament spricht Maroš Šefčovič an einem Podium im mit blauem Dekor und EU-Emblemen geschmückten EU-Parlament in Straßburg, während andere dahinter an einem geschwungenen Schreibtisch sitzen, was an Momente erinnert, in denen einflussreiche Persönlichkeiten wie Donald Trump globale Themen ansprachen.
Maroš Šefčovič, Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit; Interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz.

Fast schon flehend klingen die Worte, die Maroš Šefčovič wählt. Er ist seit dieser Legislaturperiode Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit; Interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz2Vereinfacht dargestellt gleicht die EU-Kommission der Regierung. Sie legt dem Parlament Gesetzesvorschläge vor, überwacht deren Einhaltung und verwaltet den EU-Haushalt. und spricht über die historisch gewachsene Verbindung: „Nach der gestrigen Amtseinführung von Präsident Trump ist die Europäische Union daher bereit, diese wichtigen Beziehungen zu vertiefen und zu stärken.“

Zwar verweist er auf die Prioritäten für die EU: ein inklusives, regelbasiertes multilaterales System im Einklang mit den Prinzipien der UN-Charta. Wie das praktisch funktionieren soll, wenn das Gegenüber Anspruch auf Gebiete eines Mitgliedsstaates (Grönland) oder den Panamakanal erhebt, lässt er jedoch offen. Seine Antwort auf Trumps „America First“-Memorandum lautet entsprechend: „Wir werden weiterhin ein starker Partner sein.“ Die EU werde „pragmatisch“ sein, aber zu ihren Prinzipien stehen. Die deutlichste Kritik bleibt da das „Bedauern“, dass die USA das Pariser Klimaabkommen aufkündigen wollen.

Scharfe Töne aus dem EU-Parlament

Unter einigen Abgeordneten des EU-Parlaments lösen solche Aussagen ungläubiges Kopfschütteln aus. Sie wünschen sich offenkundig quer durch die Bank des Parteienspektrums ein anderes, selbstbewussteres Auftreten gegenüber dem zunehmend unzuverlässigen, aggressiven Partner USA. „Wir müssen unsere Stärke unter Beweis stellen“, unterstreicht beispielsweise der polnische Abgeordnete Michał Szczerba für die bürgerlich-konservative EVP. Auch ihre Sicherheit müsse die EU selbst gestalten, ihre Beziehung mit den USA solle sie dahingehend pragmatisch und fokussiert halten. Als Ziel der Ratspräsidentschaft seines Landes gibt er aus, hierfür einen gemeinsamen Kurs zu finden.

Davon, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, spricht Kathleen Van Brempt. „Wir müssen in unsere Wirtschaft und Industrien investieren“, sagt die belgische Abgeordnete der sozialdemokratischen S&D-Fraktion. Jedoch nicht im Sinne einer Abschottung, sondern auf der Suche nach Verbündeten, etwa in Südamerika oder im Indopazifik. So könne die EU ihre eigenen Stärken ausspielen und sich, wo notwendig, abgrenzen: „Die Zukunft Europas ist europäisch!“

Europas Rechte zwischen Bewunderung und Ablehnung

Solche Aussagen dürften im Grundsatz die rechten EU-Skeptiker der Patrioten für Europa (PFE) teilen. Allerdings mit einem anderen Zungenschlag. „Europa steht an einem Scheideweg“, sagt Jordan Bardella und fordert, sich aus der passiven Rolle zu lösen. Denn: „Trump wird seine Interessen zu unserem Schaden verteidigen.“ Aus seiner Perspektive habe der neue US-Präsident damit sogar recht, zu lange seien die USA angeblicher „Massenmanipulation und Globalisierung“ ausgeliefert gewesen. Europa müsse sich auf das zurückbesinnen, was der Franzose unter Freiheit, Identität und Souveränität versteht. Den Institutionen, denen er selbst angehört, wirft er ideologische Naivität und zu viele Normen vor. „Reagieren wir, oder wir werden aus der Geschichte verschwinden!“, so seine Losung.

Zwei Frauen stehen an Rednern vor einem blauen EU-Hintergrund und sprechen zu den sitzenden Teilnehmern des Europäischen Parlaments.
Valérie Hayer (links, Renew) beim Pressebriefing zur Plenarwoche am 21. Januar 2025.

Auf diese Art zieht sich die Plenardebatte im Straßburger EU-Parlament weiter hin. Vertreter:innen der liberalen Renew-Fraktion verweisen auf die Interessen der US-Unternehmen mit einem Marktzugang zu Europa. „Wir sollten das Kräfteverhältnis nutzen, nicht schwach sein“, mahnt etwa Valérie Hayer. Der Linke Per Clausen wundert sich über das Schweigen der Kommission mit Blick auf die Drohungen gegenüber Grönland. Sergey Lagodinsky hebt die klimafreundliche Innovationskraft des Kontinents hervor. „Schein, Baby, schein“, kontert er Trumps fossilen Schlachtruf: „Bohr, Baby, bohr.“

Und am ganz rechten Rand träumt Stanislav Stoyanov, eine europäische Würde mit einem starken Führer und ein Gleichgewicht mit den USA wiederherzustellen: „Die Welt verändert sich, und dies ist ein guter Zeitpunkt für Europa, einen würdigeren Platz auf der Weltbühne einzunehmen, wie es ihm historisch zusteht.“

Die Strategien der verschiedenen Fraktionen mögen große Unterschiede offenbaren. Doch zeichnet sich hier ab, dass so mancher Konflikt zwischen Parlament, Kommission und Rat über die außenpolitische Ausrichtung der EU bevorstehen dürfte.

Transparenzhinweis: Das EU-Parlament hat Anreise und Aufenthalt finanziert, um die Plenarwoche vor Ort zu begleiten. Das hatte keinen Einfluss auf die Themenwahl und Berichterstattung.

Footnotes

  • 1
    Der Rat der EU ist das Gremium, in dem sich die nationalen Regierungen der Mitgliedsstaaten verständigen. Polen hat jüngst den Vorsitz übernommen.
  • 2
    Vereinfacht dargestellt gleicht die EU-Kommission der Regierung. Sie legt dem Parlament Gesetzesvorschläge vor, überwacht deren Einhaltung und verwaltet den EU-Haushalt.

Beitrag veröffentlicht am Januar 24, 2025

Zuletzt bearbeitet am Januar 24, 2025

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